Mallorca auf die stille Tour

Mallorca hat mehr zu bieten als Sonne, Strand und Meer. Das hat sich bei der Prominenz ebenso herumgesprochen, wie bei den großen Reiseveranstaltern. Die verfrachten das Gros der Urlauber auf die Baleareninsel und verkaufen die Ausflüge zu den vermeintlichen Highlights der Insel gleich mit: Kloster Lluc, Drachenhöhlen, Sa Calobra. Das echte Mallorca liegt meist jedoch abseits der Start- und Zielorte der Touristenbusse. Wer es sucht, der wird es finden - sogar in der Hochsaison.

Entspannt den Tag ausklingen lassen

Señor Xamena hat die Geschichte schon oft erzählt, so oft, dass er sie irgendwann aufgeschrieben und zwischen zwei Buchdeckel gepackt hat. Trotzdem erzählt er sie immer noch so gern wie beim ersten Mal. Die Geschichte, wie aus der kleinen Villa, die sich sein Vater Antonio als Sommerhäuschen zulegte, weil seine Badestelle am Strand von Palma dem Hafenbau weichen musste, ein Juwel von einem Hotel wurde: das Bonsol. Auf halber Strecke zwischen El Arenal und Magaluf gelegen, bestand es zunächst nur aus dem zum Schloss Bendinat gehörenden Gebäude hoch über der Bucht von Illetas. Als sich 1957 die Chance bot, das unterhalb gelegene Küstengrundstück zu kaufen, griff Antonio Xamena zu und verwandelte es in einen oasengleichen Garten mit Pools, Villen und einem Restaurant direkt über dem kleinen Privatstrand. Wer hier bei einer Flasche Macia Batle untermalt vom Spiel der Brandung den Tag ausklingen lässt, der spürt den Drang, wiederzukommen. Kein Wunder, dass vier von fünf Gästen des Bonsol Wiederholungstäter sind.

Ein verstecktes Paradies

Ein anderes, aber für Mallorca ebenso ungewöhnliches Stranderlebnis bietet das hübsche Örtchen Estellencs, das abgeschieden hoch über der schroffen Nordwestküste thront. Von Illetas gelangt man via Andratx hierher. Nur mit einem Kleinwagen und viel fahrerischer Gelassenheit sollte man durch die steilen, kopfsteingepflasterten Gassen zur Abfahrt in die gleichnamige Bucht starten. An den kleinen Strand und die den Felsen abgerungene Bar verirren sich fast nur Mallorquiner. Wohl auch, weil der Strand mit seinem Kies nicht dem Ideal der Touristen entspricht. Dafür ist das Wasser kristallklar und beim Schnorcheln eröffnen sich faszinierende Ansichten.

Achtung Piraten!


Das gilt an der Nordwestküste auch über Wasser. Fünf Kilometer nördlich von Estellencs steht der Torre des Verger auf einem Felsvorsprung, ein Wachturm aus dem 16. Jahrhundert. Von seiner Spitze überblickt man einen Großteil dieses atemberaubenden Küstenabschnitts. Der Turm gehört zu einem System aus Wachanlagen, das zur Abwehr von Piratenangriffen fast die gesamte Insel umspannte. Die Kommunikation zwischen den Türmen lief über Rauch- und Feuerzeichen. Verschlief ein Wächter eine Freibeuterattacke, wurden er und seine ganze Familie enteignet und auf die Galeeren verbannt - so geschehen anno 1550, als türkische Piraten Pollença überfielen.

Die "traurige Generation"

Masio Vicenç, der seit zwölf Jahren Erlebnisse abseits der Touristenbusrouten organisiert, erzählt diese Geschichte in einer Höhle an der Bucht von Pollença, von der aus man durch ein Brandungsloch den betreffenden Turm auf dem zur Halbinsel Formentor gehörenden Talaia d'Albercutx erspähen kann. Masio gehört mit seinen 50 Jahren zur sogenannten 'traurigen Generation', denn seine Kindheit lag vor der touristischen Erschließung der Insel. Er persönlich nimmt es gelassen: "Die Geschichte Mallorcas ist die von Eroberungen, angefangen bei den Phöniziern. Der Tourismus ist nur ein weiteres Glied in dieser Kette."

Heimatliebe für die Touristen

Dennoch ist es seine Vision, aus Touristen Besucher zu machen und ihnen etwas von seiner Heimatliebe mitzugeben. Indem er Ihnen die Plätze seiner Kindheit zeigt, sie zum Staunen bringt und sie teilhaben lässt an den Überlieferungen der Alten: an Sagen wie der zu Stein gewordenen Prinzessin, die man in einem Bergzug des Cap Formentor erkennt oder an Weisheiten zu den Heilkräften der Natur, wie der lindernden Wirkung zerstoßenen Pinienharzes auf Schürfwunden, die er sich bei seinen Kraxeleien immer noch regelmäßig zuzieht. Für Masio liegt der touristische Reichtum der Insel nicht in den Stränden, Golfplätzen und Yachthäfen sondern in den Zeugnissen der Jahrtausende alten Kultur, angefangen bei den Monumenten aus talaiotischer Zeit, in der wundervollen Natur und dem, was sie an Köstlichkeiten hervorbringt: Wein und Oliven, von den Römern auf die Insel gebracht, Mandeln und Orangen, ein süßes Erbe der maurischen Herrschaft, Kapern, deren Büsche an der 700 Jahre alten Stadtmauer Alcúdias wachsen, Granatäpfel, Feigen oder Tomaten, die nicht nur nach Wasser schmecken. Ein Picknick mit Pan Tomato, Ziegenkäse, Chorizo, Vino tinto und Mandelkuchen gehört bei Masio immer dazu.

Die anspruchsvolle mallorquinische Küche

Ein schöner Ort, um die anspruchsvollere mallorquinische Küche zu genießen, ist das Restaurant der Finca Monnaber Nou in Campanet. Sie thront auf einer Anhöhe inmitten zahlloser Olivenbäume direkt am Fuß der Serra de Tramuntana. Das Anwesen aus dem 13. Jahrhundert gleicht einem Museum: Kunst, sakrale Gegenstände und landwirtschaftliche Geräte aus sieben Jahrhunderten zieren die Gänge, Salons und den Patio, den Innenhof. Und wenn es Abend wird auf der großzügigen Terrasse, ein laues Lüftchen von den nahen Bergen herabweht und sich die fernen Hügelketten langsam in der Dämmerung verlieren, dann hört man sie: die Stille, die George Sand 1842 in ihrem Roman 'Ein Winter auf Mallorca' als Wesensmerkmal der Insel verewigte.