Konjunkturforscher fordern Zinssenkung der EZB

Wegen der Tiefe des konjunkturellen Einbruchs und der niedrigen Inflation im Euroraum sollte die Europäische Zentralbank den maßgeblichen Leitzins auf 0,5 Prozent senken. Das ist die einhellige Meinung der führenden Wirtschaftsforscher Deutschlands. Doch die Konjunkturexperten fordern noch mehr.

Die führenden Konjunkturforschungsinstitute raten der EZB zu weiteren Zinssenkungen im Kampf gegen die Rezession. „Angesichts der Tiefe des konjunkturellen Einbruchs und der niedrigen Inflation im Euroraum sollte die Europäische Zentralbank den maßgeblichen Leitzins auf 0,5 Prozent senken“, schreiben die Forscher in ihrem Frühjahrsgutachten.

Sogar ein Zins von null Prozent wäre aus Sicht der Institute keine ausreichende Reaktion auf die Krise. Derzeit liegt der Leitzins bei 1,25 Prozent, doch haben die Notenbanker eine moderate Senkung in Aussicht gestellt.

Die Zentralbank solle ihre Tendergeschäfte längerfristiger als bisher gestalten, empfehlen die Forscher der EZB. Sie solle zudem zu unorthodoxen Maßnahmen greifen und Unternehmens- sowie Staatsanleihen aufkaufen. Zwar sei eine Umgehung des Bankensektors weniger erfolgversprechend als in den angelsächsischen Ländern, räumen die Institute ein. Zudem sei die Entscheidung, welche Staatsanleihen erworben werden sollen, für die Zentralbank politisch brisant. „Doch wenn die Wahl besteht, entweder Anleihen zu erwerben oder eine Deflation in Kauf zu nehmen, stellt ersteres das kleinere Übel dar“, resümieren die Forscher.
Die Institute gehen davon aus, dass zu einer langsamen Gesundung des internationalen Bankenwesens kommen wird.

Sie schließen jedoch nicht völlig aus, dass es wegen der Bilanzrisiken und der Eigenkapitalprobleme der Geldhäuser zu einer erneuten Vertrauenskrise kommen könnte. Die Folge wäre demnach ein nochmaliger Einbruch bei Bestellungen und Produktion. „Dann wäre ein Abgleiten in eine weltweite deflationäre Abwärtsspirale nicht unwahrscheinlich“, warnen die Forscher in ihrem Gutachten.

Bei einer Deflation fallen die Preise auf breiter Front. Verbraucher und Firmen schieben dabei ihre Investitionen in der Hoffnung auf, dass das Niveau noch weiter sinkt. So entsteht eine Abwärtsspirale, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage lähmt.

Reuters/PHJ