High Noon im spanischen Parlament

Die Lage von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero bei der «Debatte über die Lage der Nation» erinnerte ein wenig an Gary Cooper, der im Western-Klassiker «Zwölf Uhr mittags» als einsamer Marschall Will Kane alle Welt gegen sich hatte. In der mit Spannung erwarteten Generalaussprache war der sozialistische Regierungschef ganz auf sich allein gestellt. Abgesehen von der eigenen Partei wollte niemand Zapatero beispringen. Die Debatte führte den Spaniern vor Augen, dass ihre Regierung auf wackligen Füßen steht und im Parlament keine Mehrheit hat.

Für Zapatero war die zweitägige Debatte, die am Mittwoch zu Ende ging, die härteste parlamentarische Bewährungsprobe seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Jahr 2004. Spanien wird stärker als andere Länder von der Wirtschaftskrise heimgesucht; die Arbeitslosigkeit ist mit einer Rate von 17,4 Prozent die höchste in Europa; die Nationalisten in Katalonien und dem Baskenland, die der Regierung in der Vergangenheit häufig zu einer Mehrheit verholfen hatten, gingen auf Distanz zu Zapatero; und die Europawahlen stehen vor der Tür.

Dem Oppositionsführer Mariano Rajoy bot sich die einzigartige Chance, den Regierungschef vor den Abgeordneten bloßzustellen. In der Vergangenheit hatte der - eher bieder wirkende Chef der konservativen Volkspartei (PP) gegen den Charmeur Zapatero nie etwas ausrichten können. Aber auch diesmal gelang es Rajoy nicht, als «Sieger» aus der Debatte hervorzugehen. Zapatero überraschte den Rivalen mit der Vorlage eines Konjunkturpakets. Dies griff Forderungen der PP - wie die nach einer Abwrackprämie für Autos – auf und entwaffnete damit quasi den Oppositionschef.

«Zapatero zieht 1000 Kaninchen aus dem Ärmel», schrieb die Zeitung «La Vanguardia». Das rechtsliberale Blatt «El Mundo» meinte: «Zapatero kommt mit dem Leben davon.» Nach Umfragen hatte die Mehrheit der Spanier den Eindruck, dass der Regierungschef die bessere Figur abgegeben hatte. Der Kolumnist Fernando Onega hob allerdings hervor: «Zum ersten Mal gewann Zapatero nur knapp. Diesmal errang er keinen Kantersieg.»

Eine große Hoffnung der Spanier wurde bei der Debatte zerschlagen: Die großen Parteien der Sozialisten (PSOE) und der Konservativen werden keinen Pakt schließen, um das Land gemeinsam aus der Krise zu führen. Zapatero und Rajoy schlugen im Parlament einen so scharfen Ton an, dass ein solches Übereinkommen, das sich viele Spanier gewünscht hätten, nicht zustande kommen dürfte. «Die Verlierer der Debatte sind die Spanier», meint das Wirtschaftsblatt «Expansión».

Trotz der Wirtschaftskrise und der fehlenden Mehrheit sitzt Zapatero ziemlich stabil im Sattel. Ein Sturz der Regierung steht nicht bevor, da Rajoy dafür im Parlament keine Unterstützung erhalten würde. Die nächsten Parlamentswahlen stehen erst in drei Jahren an. Trotz Krise und Arbeitslosigkeit hält sich der Aderlass in der Wählergunst bei den Sozialisten noch in Grenzen. Nach Umfragen liegen die PSOE und PP etwa gleichauf.