Auswirkungen des Massentourismus auf Mallorca

Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung und –verteilung

 

Durch den Massentourismus hat seit 1960 ein tiefgreifender Wandel in der Bevölkerungsentwicklung, -struktur und -verteilung stattgefunden. In den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts war Mallorca durch Abwanderungen geprägt, was sich in einen positiven Wanderungssaldo umgewandelt hat. 80% der 1986 registrierten, nicht auf den Balearen geborenen Einwohnern sind erst nach 1960 eingewandert. 1991 setzte sich die Bevölkerung Mallorcas zu 25% aus Einwanderern von außerhalb der Baleraren und zu 4% aus Ausländern zusammen (Schmitt, 1999 S.78). Diese ca. 30% der Bevölkerung sind trotz z.T schon langjährigen Aufenthalts nicht der katalanischen Sprache mächtig. In dieser Zeit wuchs aber auch der Geburtenüberschuss. Zur gleichen Zeit fand ebenfalls ein Wandel von einer ländlichen in eine städtische Gesellschaft statt.

Der Tourismus auf Mallorca hat auch zu einer Veränderung der regionalen Bevölkerungsverteilung geführt. Die Schwerpunkte der Bevölkerungs- konzentration sind zum einen die Hauptstadt Palma, dann die Achse Palma - Alcudia sowie die Küstenregionen. Letztere haben durch den Tourismus z.T eine Zunahme von >100% in der Zeit von 1971 bis 1995 zu verzeichnen. Auf der anderen Seite haben agrarisch geprägte Gemeinde im Landesinneren eine Stagnation bzw einen Rückgang erlebt. Die Bevölkerung in diesen Gebieten zeigt auch eine deutliche Überalterung.

 

Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Erwerbsstruktur

 

Im Bereich der Erwerbsstruktur lässt sich ein deutlicher Wandel vom primären zum tertiären Sektor, d.h. von der traditionell ländlichen Gesellschaft zur Dienst- leistungsgesellschaft feststellen. Dieses führt aber auch zu einer ökonomischen Abhängigkeit von dem Tourismus, der den größten Teil der Arbeitsplätze in diesem Sektor stellt. In dem sekundären Sektor zeigen sich ähnliche Abhängigkeiten, denn das Baugewerbe arbeitet ebenfalls überwiegend für den Ausbau der touristischen Infrastruktur und auch die traditionelle Lederwaren-, Schmuck- und Textiindustrie stellt sich zunehmend auf den touristisch orientierten Markt ein.

Innerhalb der Landwirtschaft geht mit dem Rückgang der Erwerbstätigen auch ein Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe und der agrarisch genutzten Fläche einher. Von der Betriebsaufgabe waren vor allem Kleinbetriebe <10 ha betroffen, während bei den Kleinstbetrieben <1 ha eine Zunahme als Folge von der Umwandlung von landwirtschaftlichen Betrieben in Zweitwohnsitze festzustellen ist. Dieser Trend bewirkt eine Entwicklung des Tourismus auch im Landesinneren und ein Anstieg der Bodenpreise. Bei den existierenden landwirtschaftlichen Betrieben lässt sich zwischen den Kleinbetrieben unterscheiden, die am Rande der Rentabilität wirtschaften und "in den Spekulationsprozess um eine mögliche Umwandlung in Freizeiteinrichtungen und Zweitwohnsitze einbezogen werden" (Schmitt 1999, S.87) und den meist größeren Betrieben, die überwiegend für den Bedarf der Touristen produzieren (Viehzuchtbetriebe mit bewässertem Futteranbau und Betriebe mit bewässertem Obst- und Gemüseanbau). Die für den Mittelmeerraum charakteristische Olivenkulturen auf den terrassierten Feldern der Sierra de Tramontana sind von 1860 bis 1992 um 50% zurückgegangen. Ein Grund hierfür ist auch der Arbeitskräftemangel während der Erntezeit bedingt durch die Konkurrenz des Dienstleistungssektors.

Insgesamt gesehen hat der Tourismus der Insel Mallorca und seinen Bewohnern eine besondere wirtschaftliche Position innerhalb Spaniens verschafft: Das Pro-Kopf-Einkommen lag 1998 mit 43000 DM fast doppelt so hoch wie auf dem Festland, die Arbeitslosenquote liegt mit 13,8% weit unter dem Durchschnitt. Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre betrug jeweils etwa 5%, 1999 sogar 6%, das sind doppelt soviel wie in Gesamtspanien.

 

 Landschaftsveränderung als Folge des Massentourismus

 

Die landschaftlichen Veränderungen, die sich auf Mallorca durch den zunehmenden Massentourismus ergeben haben, sollen anhand von 3 Küstenregionen beispielhaft gezeigt werden. Es sind diese die Gebiete um Alcudia, Cala Ratjada und El Arenal .  Zu diesem Zweck werden Ausschnitte von den Landsat 7- Satellitenbildern aus den Jahren 1984 und 2000 miteinander verglichen. Die Bilder stammen vom 14.7.1984 (jeweils in der linken Hälfte) und 2.7.2000 (rechte Hälfte) und sind mit Hilfe des Landsat/Satlupe-Programms von Duttke bearbeitet worden. Es handelt sich dabei entweder um Einkanalbilder, Farbkomposite oder Clusterdarstellungen. Unterstützend werden noch Kartierungen und Auswertungen von Thomas Schmitt (a.a.O. S. 99ff) hinzugezogen. Die z.T erheblichen Farbunterschiede ergeben sich daraus, dass das Jahr 1984 wesentlich niederschlagsreicher war als das Jahr 2000. Am Flughafen in Palma wurden 1984 bis zum Juli, d.h. dem Zeitpunkt der Satellitenaufnahme, 187,1 mm Niederschlag gemessen, im Jahr 2000 in demselben Zeitraum nur 43 mm. Hinzu kommt, dass auch im Jahre 1999 die Herbst- und Winterregen wesentlich geringer ausgefallen sind als im langjährigen Durchschnitt (nur 135 mm von August bis Dezember gegenüber durchschnittlich 250 bis 300 mm).

 

Ökologische Auswirkungen

 

Die ökologischen Auswirkungen zeigen sich in erster Linie an den Küsten, aber auch in  anderen Teilen der Insel sind die Folgen zu spüren.

Als Beispiel für die völlige Zerstörung ökologisch wertvoller Landschaftsbestandteile ist das ehemalige Feuchtgebiet Sa Porrassa zusammen mit dem Brackwassersumpf Salobrar Gran südöstlich von Palma Nova zu nennen.

Auf der Kartierung von 1968 (Schmitt 1999) sieht man noch deutlich die Sumpffläche mit ihren Röhrichten (blaugrün eingezeichnet), und die Besiedlung des Ortes beschränkte sich auf wenige Gebiete an der Küste.

Der Vergleich mit der Kartierung von 1992 lässt die gravierenden Veränderungen sichtbar werden. Das Sumpfgebiet ist aufgeschüttet worden und die Bebauung hat sich dorthin ausgedehnt (Signaturen siehe obere Karte). Der Rest ist mit mehrjähriger Ruderalvegetation bewachsen (braune Signatur). Südlich davon ist der weitere Ausbau der touristischen Infrastruktur zu beobachten (Kartbahn blaue, Aquapark violette und Golfplatz grün gepunktete Signatur). Die Satellitenaufnahme belegt die Landschafts- veränderung eindrucksvoll.

 

  Ein weiteres großes Problem, das eng mit der Landschaftszerstörung verknüpft ist, ist die Wasserknappheit vor allem in den Sommermonaten. Die Wasserressourcen sind angesichts der sommerlichen Trockenheit und der Variabilität der Niederschläge an sich schon begrenzt, aber durch das Zusammenfallen der Bedarfsspitzen von Landwirtschaft (Bewässerung) und Tourismus werden die Probleme extrem verschärft. Hinzu kommt, dass die bewässerte Fläche von 1960 bis 1987 um 140% vergrößert worden ist (von 12200 auf 29100 ha). Auch dieses ist ja eine indirekte Folge des Tourismus, denn ein Großteil der Produktion ist für die Versorgung der Touristen bestimmt. Aber die Landwirtschaft verbraucht nur etwa 50% des Trinkwassers auf Mallorca, vor allem der Tourismus selbst ist an dem Anstieg des Wasserverbrauchs beteiligt. So wird damit gerechnet, dass der Bedarf von 76 Mio. cbm 1991 auf über 90 Mio. cbm im Jahr 2002 ansteigen wird. Der Tourismus trägt nicht nur durch die Bade- und Duschfreuden der Touristen zu diesem Verbrauch bei, sondern vor allem auch durch die Swimming Pools der Hotels, die Bewässerung der Gartenanlagen um die Hotels und die der vielen Golfplätze, die in der letzten Zeit gebaut worden sind (vgl. Auswirkungen 1).

Also müssen immer mehr Brunnen angelegt werden, aus denen der Bedarf gedeckt wird, was aber eine Absenkung des Grundwasserspiegels zur Folge hat (im Bereich des Großbrunnens, aus dem Palma zum größten Teil sein Wasser bezieht, um 20 m von 1991 bis 1994 (Schmitt 1999, S.96). Diese Absenkung führt dazu, dass Meerwasser in den Grundwasserbereich eindringt (Salzwasserintrusion) und der Salzgehalt des Brunnenwassers ansteigt und eine Nutzung als Trinkwasser unmöglich macht. Teilweise sind Spitzenwerte von über 5000mg/l in einzelnen Quellen gemessen worden. Der von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegte Grenzwert liegt bei 200 mg/l. Also wird das Trinkwasser in Palma mit Tankwagen geliefert. In anderen Teilen der Insel, in denen die Grenzwerte "nur" um das Doppelte überschritten werden, wird das Brunnenwasser mit frischem Wasser vermischt. Zu diesem Zweck wurden seit 1995 täglich 25000 bis 30000 cbm Ebrowasser mit Tankschiffen vom Festland nach Mallorca transportiert. Zusätzlich wird in einer 1995 fertiggestellten Grundwasserentsalzungsanlage täglich 40000 cbm Brunnenwasser das Salz entzogen. 1999 wurde eine Meerwasserentsalzungsanlage (die größte in Europa) bei Palma in Betrieb genommen, die aber auch schon nicht mehr den steigenden Bedarf decken kann. Deshalb überlegt man, Wasser aus einer ergiebigen Quelle bei Sóller an der Nordwestküste Mallorcas über ein Leitungssystem nach Palma zu führen.

Inwieweit eine Landschaftsveränderung und Degradation der Vegetation als Folge der Absenkung des Grundwasserspiegels auf Mallorca wirklich eingetreten ist, kann nur schwer beurteilt werden. Auch die Satellitenbilder von 1984 und 2000 geben darüber keinen genauen Aufschluss, weil die Niederschlagsverhältnisse der Monate vor diesen Aufnahmen sehr unterschiedlich waren (vgl. Auswirkungen 2). Die wesentlich trockenere Vegetation im Jahr 2000 ist sicherlich zum größten Teil auf die geringeren Niederschläge zurückzuführen.

AUSBLICK

 

 

Angesichts der vielen Fehlentwicklungen, die hier z.T. aufgezeigt worden sind, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Zukunft der Insel und des Tourismus dort. Der überwältigende Erfolg der Tourismusbranche hat eine wirtschaftliche  Monostruktur  entstehen lassen (vgl. Auswirkungen 1). Aus diesem Grunde steht eindeutig fest, dass ähnlich wie in anderen Tourismusregionen (z.B. Alpen) ein Zurück in die Zeit vor dem Massentourismus nicht möglich ist. Somit stellt sich nur die Frage, wie die Regierung von Mallorca in Zukunft mit dem Tourismus umgeht, welche Art von Tourismus sie möchte und wie die negativen Folgen nach Möglichkeit eingedämmt werden können. Bezüglich der Art des Tourismus hat es bereits klare Entscheidungen gegeben, und zwar in Richtung Qualitätsverbesserung des touristischen Angebots. Während z.Zt. nur etwa 10% der Hotels dem Vier- oder Fünf-Sterne-Standard entsprechen, sollen in Zukunft vor allem Unterkünfte höherer Kategorie gebaut und dafür "Billigunterkünfte" abgerissen werden (1995: 22 Hotels und 13 Apartmentkomplexe mit 3615 Betten). Eine andere Maßnahme, die Geld zur Beseitigung der Umweltschäden eintreiben soll, ist die geplante Einführung der Ökosteuer. So sollen Touristen, die in einem Hotel übernachten, je nach Kategorie des Hotels zwischen 0,25 und 2 Euro pro Tag bzw. Nacht bezahlen. Die Regierung erhofft sich dadurch jährliche Mehreinnahmen von ca. 120 Mio. DM. Aber die Beseitigung von vorhandenen Umweltschäden oder die Verhinderung von neuen extremen Belastungen ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern vor allem auch der zentral koordinierten Planung. Und daran hat es in der Vergangenheit offensichtlich gemangelt. Denn die Planungshoheit liegt wie in ganz Spanien auf der Gemeindeebene. Teilweise haben die vorhandenen Gesetze die Bebauung noch gefördert anstatt sie zu beschränken. So erlaubte das Bodengesetz von 1976 den Bau von 630000 Wohneinheiten. Zum Vergleich lag der Bestand 1987 bei 260000 (Schmitt 1999, S.92). Diese Freizügigkeit führte in großem Umfang zur Umwandlung und zum Neubau von Zweitwohnsitzen. Ein anderes Beispiel ist das Naturschutzgesetz von 1991 (Llei d'Espais), nach dem ein Drittel der Inselfläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen wird. Allerdings schützt dieses Gesetz diese Gebiete nicht vor der Besiedlung, lediglich flächenhafte Bebauung ist untersagt.

Somit wird deutlich, dass das Ausmaß des Tourismus auf Mallorca deutlich an seine Grenzen gestoßen ist, bzw. z.T. diese auch schon überschritten hat. Eine weitere Ausdehnung der touristischen Infrastruktur und ein weiterer Landschaftsverbrauch sind daher abzulehnen. Also bleibt nur eine Verbesserung der bereits bestehen Einrichtungen im Sinne der oben schon genannten Maßnahmen. Zusätzlich müssen Vorkehrungen zu Verhinderung einer weiteren Grundwasserabsenkung und Salzwasserintrusion getroffen werden, was nur über eine Beschränkung des Wasserangebotes möglich ist (z.B durch Verteuerung für bestimmte Verwendungen). Eine andere Zielrichtung könnte der Versuch sein, den Tourismus gleichmäßiger über das Jahr zu verteilen, um so die Spitzen der Belastung abzubauen. Auch in dieser Richtung gibt es bereits Ansätze.

Dass sich etwas ändern muss, ist unvermeidlich, denn sonst kann es Mallorca ähnlich ergehen wie der spanischen Mittelmeerküste in den siebziger und z.T. auch achtziger Jahren, als aufgrund von ungelösten Umweltproblemen infolge der boomartigen Tourismusentwicklung die Branche einen erheblichen Einbruch hinnehmen musste. Auch auf Mallorca haben Umfragen ergeben, dass vor allem in den Regionen, in denen die Umweltbelastung durch den Tourismus am stärksten und der Landschaftsverbrauch am größten ist, die Zahl der Urlauber, die nicht noch einmal wieder kommen wollen, mit bis zu 20% am höchsten ist (Schmitt 1999, S. 71). Dieses sind die Bucht von Palma (Palma bis El Arenal) und die Costa Ponent im Südwesten der Insel.